

Die Nacht atmete schwer im grünen Herz Borneos, wo Schatten nicht das Ende des Lichtes, sondern sein stiller Anfang sind. Wir waren auf leisen Sohlen unterwegs, geführt vom tastenden Blick unserer Taschenlampen, die wie flüsternde Sterne durch das dichte Dunkel schnitten. Und dann – unter einem Blatt, von einem sanften Licht durchdrungen – offenbarte sich uns ein kleines Wunder.
Eine Zikade, schlafend, ruhig, als wäre sie ein Traum des Waldes selbst. Das Licht durchdrang das Blatt, tauchte in ihren zarten Körper ein und ließ ihre innerste Struktur aufleuchten. Sie wurde durchsichtig, fast ätherisch, ein leuchtender Schatten zwischen Blattadern und Nachthauch. Für einen Moment war sie kein Insekt mehr – sondern ein Wesen zwischen Welten, ein Botschafter eines Planeten, den nur die Natur kennt.
Ich drückte den Auslöser. Nicht nur, um ein Bild zu machen – sondern um ein Gefühl zu bewahren. Diese kleine Kreatur, leuchtend wie eine Erinnerung, erzählte mir mehr über das Leben als tausend Worte: dass Schönheit nicht laut ist, sondern sich denen zeigt, die langsam genug gehen, um sie zu sehen.
In solchen Momenten verstehe ich, warum ich immer wieder zurückkehre. Warum ich Mückenstiche, Schlamm und Dunkelheit in Kauf nehme. Weil die Wildnis voll ist von Poesie, die im Verborgenen schläft – bis jemand kommt, der sie still betrachtet.
Das Leben ist zu kurz für aufgeschobene Pläne, Ausreden und mittelmäßige Fotoreisen.