

Die Seele Äthiopiens in den Augen eines Neugeborenen
Zwischen den Hochplateaus der Semienberge, wo der Wind über die kargen Wiesen streicht und die Wolken auf den Schultern Afrikas ruhen, begegnete ich diesem winzigen Wesen – einem wenige Tage alten Baby-Gelada.
Es war kaum größer als meine Hand, doch in seinen Augen lag eine Tiefe, die sich kaum in Worte fassen lässt.
Seine Mutter saß nicht weit entfernt, beschützend und aufmerksam, während sich ihr Kind kurz löste, um mit anderen Jungtieren zu spielen. Für einen winzigen Augenblick stand es auf seinen kleinen Füßen, hob es den Kopf, lugte neugierig über die Gräser – und sah direkt in meine Linse.
Ich befand mich in einer kleinen Senke, fast unsichtbar für die Tiere. Nur mein Kopf und meine Kamera ragten über den Rand hinaus. In dieser einen Sekunde, in der unsere Blicke sich trafen, war die Welt still.
Da war kein Misstrauen, keine Angst – nur ein offenes, reines Staunen.
Dieser Blick war ein Stück Unschuld, ein Hauch von Vertrauen, geboren in der rauen Wildnis Äthiopiens.
Wenige Sekunden später lief das Kleine zurück zu seiner Mutter und schmiegte sich an ihr warmes Fell. Und ich blieb zurück mit einem Gefühl, das man auf keiner Karte findet – einer stillen Dankbarkeit, Zeuge dieses zarten Moments gewesen zu sein.
Während unserer Fotoreise durch Äthiopien saßen wir oft stundenlang zwischen hunderten von Geladas. Wir waren die einzigen Fotografen dort, fern von Touristenpfaden, und durften aus nächster Nähe das soziale Leben dieser faszinierenden Affen beobachten. Ihre Sanftheit, ihr Zusammenhalt und ihre emotionale Ausdruckskraft sind tief berührend.
Solche Begegnungen erinnern mich daran, warum ich fotografiere:
Nicht um zu sammeln, sondern um zu fühlen – um Momente wie diesen zu bewahren, in denen sich das Leben selbst offenbart.
Das Leben ist zu kurz für aufgeschobene Pläne, Ausreden und mittelmäßige Fotoreisen!

