

Ein Rhinozeroshornvogel trägt die Erinnerung an Borneo durch den Abendhimmel
Es gibt Bilder, die mehr sind als nur ein eingefrorener Moment. Sie tragen die Wildnis in sich – das Echo eines Ortes, die feuchte Wärme des Urwalds, den Atem des Abenteuers.
So geht es mir mit dem Foto, das heute im Mittelpunkt steht: ein mächtiger Rhinozeroshornvogel , eingefangen im Flug, sein farbenprächtiger Schnabel und sein markantes Horn leuchtend gegen den dunkler werdenden Himmel Borneos.
Dieser Vogel ist einer jener Geschöpfe, die nicht nur sichtbar, sondern spürbar sind. Wenn er durch die Baumkronen gleitet, klingt sein Flügelschlag wie ein kurzer Windstoß, und sein Anblick lässt erahnen, wie groß und kraftvoll dieser Vogel wirklich ist. Dieses Bild erinnert mich an all das – an die Wälder Borneos, an die Stille zwischen den Geräuschen, an die besondere Magie dieser Fotoreise.
Entstanden ist die Aufnahme sehr spät am Abend, praktisch lange nach dem Sonnenuntergang. Die blaue Stunde hatte den Himmel bereits verschluckt, das Licht war fast vollständig verschwunden. Als der Vogel plötzlich aufstieg und davonflog, blieb keine Zeit mehr, die Kameraeinstellungen anzupassen.
Die ISO-Zahl war sehr hoch, die RAW-Datei deutlich unterbelichtet – und doch drückte ich ab, weil dieser Augenblick nicht wiederkommen würde.
Solche Situationen lehren uns viel über Kunst der Fotografie.
Vor allem eines: Wenn man in schlechtem Licht fotografiert, ist eine leichte Überbelichtung mit hoher ISO immer besser als ein unterbelichtetes Bild.
Ein überbelichtetes Foto lässt sich abdunkeln, ohne dass das Rauschen zerstörerisch wird. Ganz im Gegenteil. Ein unterbelichtetes Bild dagegen muss aufgehellt werden – und dann beginnt der Kampf gegen das Rauschen, gegen den Verlust von Details, gegen die feinen Strukturen, die verschwinden, wenn die Software eingreift.
Auch bei diesem Foto hat das Entrauschen lange gedauert. Es ist ein schönes Bild, ein erinnerungsreiches Foto, ein emotionales Bild – aber es wird nie ein Fünf-Sterne-Foto sein, weil der Prozess des Aufhellens und Bereinigens ihm unvermeidlich Schärfe genommen hat.
Und trotzdem bin ich dankbar, dass es existiert. Noch vor einigen Jahren wären solche Action-Aufnahmen mit schnellen Verschlusszeiten in der blauen Stunde schlicht unmöglich gewesen. Moderne Kameras eröffnen uns heute Momente, die früher im Dunkel verschwunden wären.
Mit diesem Bild verabschiede ich mich vorerst aus Deutschland.
Heute Abend fliege ich nach Madagaskar, und ab morgen Nachmittag werden wir bereits unterwegs sein. Übermorgen beginnt meine Fotoreise durch dieses fantastische Land – und auch von dort werde ich neue Eindrücke, Geschichten und Fotografien mitbringen. Die Abenteuer gehen weiter, die Fotoreisen auch.
Das Leben ist zu kurz für aufgeschobene Pläne, Ausreden und mittelmäßige Fotoreisen!
