

Wenn Authentizität zum Herzschlag des Bildes wird
Zwischen den staubigen Wegen und den bunten Tüchern der äthiopischen Märkte liegt eine Welt voller Stimmen, Gerüche und Geschichten. Es ist ein Ort, an dem das Leben atmet, wo jede Geste, jedes Lächeln und jedes Feilschen ein Stück Wahrheit über das Menschsein erzählt.
Hier, auf dem Boden sitzend, bieten die Menschen an, was sie haben – Lebensmittel, Kleidung, kleine Schätze des Alltags. Doch was sie in Wirklichkeit verkaufen, ist weit mehr: Es sind Fragmente ihrer Kultur, Ausdruck ihrer Würde, Funken ihres Daseins.
Mit unseren Kameras sind wir durch dieses Labyrinth aus Farben und Stimmen gegangen – auf der Suche nach dem echten Moment, nach dem, was sich nicht inszenieren lässt. Die Street-Fotografie ist kein Jagen nach Motiven, sondern ein Lauschen auf das Leben selbst.
Wer den Menschen wirklich begegnen will, muss lernen, unsichtbar zu werden. Deshalb trage ich meine Kamera nicht vor dem Auge, sondern an der Hüfte. Ich schaue nicht durch den Sucher, sondern durch das Herz. Denn sobald mein Blick durch die Linse fällt, verändert sich der Mensch davor – er wird bewusst, er verliert seine Natürlichkeit.
So drücke ich den Auslöser blind, während ich durch die Menge gehe, während das Leben um mich pulsiert. Manchmal ist der Ausschnitt perfekt, manchmal nicht. Doch das Ergebnis ist ehrlich. Wahr. Unverfälscht.
An jenem Tag, an dem ich das heutige Foto aufgenommen habe, fiel mir ein Mann auf, der lachend durch die engen Gassen schritt. Seine Hände tanzten in der Luft, seine Stimme trug Worte, die ich nicht verstand – vielleicht ein Gedicht, vielleicht ein Gebet. Aber seine Freundlichkeit sprach eine universelle Sprache. Ich folgte ihm mit der Kamera an der Hüfte, ohne dass er es bemerkte, und in jenem Augenblick entstand ein Bild, das für mich zu einem Symbol wurde:
Für die Schönheit des Ungeplanten, für die Würde des Alltäglichen, für das Glück, den Moment nicht zu stören, sondern ihn einfach sein zu lassen.
Diese Art des Sehens lehre ich auch meinen Fotografen auf unseren Fotoreisen. Denn echte Fotografie beginnt nicht mit der Technik – sie beginnt mit Empathie. Mit dem Mut, loszulassen. Mit dem Vertrauen, dass das Leben selbst die beste Regie führt.
Das heutige Bild erinnert mich daran, dass Authentizität nicht gemacht werden kann. Sie geschieht – still, ehrlich, flüchtig. Und genau deshalb ist sie so kostbar.
Das Leben ist zu kurz für aufgeschobene Pläne, Ausreden und mittelmäßige Fotoreisen!

