

Manchmal, inmitten des tosenden Lärms unserer modernen Welt – der gehetzten Termine, der endlosen Benachrichtigungen und des ständigen Verlangens nach mehr –, hält das Leben einen Moment inne und präsentiert eine einfache Wahrheit. Diese Wahrheit finde ich nicht in den hochglanzpolierten Manifesten der Selbstoptimierung, sondern am staubigen Straßenrand von Lalibela in Äthiopien, im Schatten einer uralten, fußbetriebenen Nähmaschine.
Hier sitzt sie. Eine Frau, deren Name wir nicht kennen, deren Geschichte in den unzähligen Metern Stoff verborgen liegt, die durch ihre Hände gleiten. Sie ist eine Königin ihres winzigen Reiches aus Faden und Stoff, eine Architektin des Alltags. Ihre Werkstatt ist die Welt selbst: der Himmel ihr Dach, die Straße ihr Boden, das Licht der Sonne ihre Arbeitsleuchte.
Ihre Nähmaschine, ein stählernes Relikt vergangener Zeiten, wird nicht von Elektrizität, sondern von der rhythmischen Bewegung ihrer Füße angetrieben. Es ist ein metronomisches Ticken, das das Überleben ihrer Familie zählt. Die Bewegung ist eine Meditation, eine stetige Wiederholung, die in sich selbst Erfüllung findet. Es ist die reine, unverfälschte Kette von Ursache und Wirkung: Arbeit erschafft Leben. Kein komplizierter Umweg über Aktienmärkte oder virtuelles Kapital – nur die direkte, ehrliche Verbindung von Mühe und Lohn.
Ist das nicht die tiefste Form von Existenzphilosophie? Reduziert auf das Wesentliche: Ich arbeite, also bin ich.
In ihrem Lächeln, das die Herzen wärmt, sehe ich keine Resignation, sondern eine tiefe Akzeptanz und Dankbarkeit für den Moment. Dieses Lächeln ist das Gegenteil von Armut; es ist der Reichtum des Geistes, der sich nicht von äußeren Umständen bestimmen lässt. Es ist der Beweis dafür, dass das gute Leben nicht im Überfluss, sondern in der Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit liegt – im Wissen, dass die Arbeit der eigenen Hände eine Familie nährt.
Sie zeigt uns, dass Einfachheit kein Mangel, sondern eine Freiheit sein kann. Eine Freiheit von der Last des Zu-Viel, eine Konzentration auf das Wesentliche.
Auf meinen Fotoreisen, vor allem hier in Äthiopien, finden wir unzählige, ähnliche Geschichten am Straßenrand, die wir auf fotografischer Art erzählen können.
Das Leben ist zu kurz für aufgeschobene Pläne, Ausreden und mittelmäßige Fotoreisen.
Herzliche Grüße von Benny aus Äthiopien

