

Ich habe heute meine Sohlen geopfert. Dem heiligen Asphalt von Lissabons Altstadt dargeboten. Kilometerweit durch enge Gassen, die sich wie wild gewordene Adern über steile Hügel winden – als hätte sich jemand gedacht: “Warum einfach geradeaus, wenn man auch ständig rauf und runter rutschen kann?”
Hier oben gewinnt das Wort „Spaziergang“ eine neue Dimension. Es ist ein ständiger Wechsel zwischen Höhenflug und Talgang – man steigt, man schnauft, man zweifelt am Leben… und dann: ein pastellfarbenes Haus, eine mit Fliesen verzierte Wand, und plötzlich ist man wieder versöhnt mit dieser widerspenstigen Schönheit.
Morbider Charme trifft Wäscheleine.
Zwischen frisch gestrichenen Fassaden blinzeln zerbröckelnde Ruinen hervor – wie alte Seemänner, die das letzte Abenteuer längst hinter sich haben, aber noch immer mit Würde ihre Falten tragen. Ich fühlte mich kurz nach Havanna versetzt – doch dort, so ehrlich muss ich sein, schien mir der Verfall irgendwie stilvoller, sinnlicher. Vielleicht ist es aber auch einfach die Romantik der Erinnerung.
Über den Gassen schaukeln Wäscheleinen im Wind. Unterhosen tanzen mit Handtüchern Walzer, BHs hängen stolz wie Fahnen. Der Süden liebt es halt praktisch und poetisch zugleich.
Der BH-Mann vom Flohmarkt.
Apropos BH: Vor dem Flohmarkt kam mir ein etwas zerzauster Herr entgegen, der mir wahlweise schmutzige Turnschuhe oder einen in die Jahre gekommenen BH andrehen wollte. Ich lehnte freundlich ab – schließlich war mein heutiges Ziel nicht Mode, sondern Atmosphäre.
Der Flohmarkt selbst? Nett, europäisch bekannt, aber nichts, was meinen inneren Sammler in Ekstase versetzt hätte. Was mir jedoch das Herz erwärmte: die Menschen. Verkäufer, die mit echter Herzlichkeit beraten, ohne dass man sich wie eine wandelnde Kreditkarte fühlt. Ja, sogar meine neuen, erstaunlich bequemen Schuhe habe ich in einem Lissabonner Kaufhaus gefunden – Symbol meines neuen, sanften Voranschreitens durch diese Stadt.
Die Kaufhaus-Offenbarung.
Dann kam das Kaufhaus. Ein Ort, an dem nicht weniger als 18 Schuhverkäufer – ich habe sie gezählt! – sich mit buddhistischer Geduld und chirurgischer Präzision um die Wünsche ihrer Kunden in der Schuhabteilung kümmerten. Ich war überrascht, gerührt, bewegt… und plötzlich bereit, deutlich mehr Geld auszugeben, als es mein innerer Schwabe erlaubt hätte. Qualität zieht eben, auch im Zeitalter von Versandkostenfrei und 24h-Lieferung.
Kachelkunst und Strom auf Rädern.
Die Häuser hier tragen Kacheln wie andere Menschen Tätowierungen: manche edel, andere schrill, wieder andere… naja, nennen wir es “ästhetisch experimentell”.
Was mich jedoch wirklich erstaunt hat, ist die elektrische Revolution: Überall surren kleine, flinke Autos durch die Gassen, Tuk Tuks summen wie übergewichtige Hummeln, und man könnte meinen, Benzin sei hier eine ausgestorbene Spezies. Es ist, als würde die Stadt flüstern: „Schau, Zukunft kann auch leise und charmant sein.“
Das Wetter? Ein Gedicht.
Sonne küsst Stirn, Wind streichelt Wangen, und die Temperaturen sind so angenehm, dass sogar meine neu erworbenen Schuhe leise danken. Ein perfekter Tag.
Ein Fazit mit Augenzwinkern.
Lissabon, du bist widersprüchlich. Du bist anstrengend, du bist schön, du bist müde und wach zugleich. Noch weiß ich nicht, ob wir ein großes „Mehr“ miteinander teilen werden – aber dieser erste Spaziergang war wie ein gutes Gedicht: ein bisschen verschroben, ein bisschen verrückt, und voller kleiner Wahrheiten.
In diesem Sinne: liebe Grüße von eurem schwitzenden, lächelnden Benny – irgendwo zwischen Bergauf, Bergab und einer sehr bequemen Schuhsohle.
Das Leben ist schön und das Leben ist das, was wir daraus machen.